24.07.2023 – Abschied und Freude

Abschied und Freude liegen oft dicht beienander. Das Nest steht leer und dieser Anblick ist ungewohnt. Leider erreichte uns gestern Abend aus der Auffangstation Loburg die Nachricht, dass für das jüngste Küken jede Hilfe zu spät kam. 1,4 Kilogramm Gewicht, abzüglich 100 Gramm für die Tragedecke, in der es gewogen wurde, reichten nicht aus, um nach dem Transport nach Loburg am Leben zu bleiben.

 

 

Diese Entwicklung scheint ihren Beginn nach dem Gewitter genommen zu haben, bei dem eines der Küken starb. Das schwächste Küken war auch am nächsten Tag nur selten zu sehen, sodass der Eindruck entstand, dass es nicht ganz fit sei. Blicken wir noch weiter zurück, war es genau dieses Küken, das als „Schlafmützchen“ auffiel. Wahrscheinlich war es der jüngste Nachwuchs im Nest, der bei den Fütterungen nur die kleinsten Portionen abbekam. Somit war es das schwächste Familienmitglied.

Nach dem großen Gewitter fiel sein ruhiges Verhalten stärker auf. Als Emma nicht mehr in das Nest zurückkehrte, haben alle drei Küken Gewicht verloren, doch das Jüngste war davon am meisten betroffen. Wir müssen bedenken, dass sich das Futter anfänglich auf vier Jungtiere verteilte und jedes Jungtier ohnehin weniger Nahrung bekam als in einem Nest mit nur ein oder zwei Küken. Dann bleibt nicht viel zum Zusetzen, wenn Situationen wie in diesem Jahr eintreten.

Wir werden das kleinste Küken in unserem Herzen tragen und es in jede Erinnerung an die diesjährige Saison einschließen. Es hat gekämpft, aber es hätte früher Hilfe gebraucht. Aber es konnte seinen Weg in Geborgenheit beenden. Begleiten wir es mit unseren Gedanken auf einem anderen Weg. Sein Leben war kurz, aber ebenso wichtig und sinnvoll wie das seiner Geschwister.

 

Sie fressen und werden es schaffen

Von den anderen beiden Küken können wir berichten, dass diese gut angekommen sind und voller Appetit fressen. Ihre Perspektive sieht sehr gut aus und mit der richtigen Unterstützung werden sie in wenigen Wochen in die Lüfte steigen können.

 

 

Rückblick auf den gestrigen Tag

Schauen wir noch einmal auf den gestrigen Tag zurück. Am Morgen waren nur die beiden kräftigeren Küken im Nest zu sehen, während das jüngste Tier liegenblieb. Es hatte etwas geregnet, sodass die Tiere zerzaust aussahen und ihre Federn sortieren mussten.

 


 

Emil hatte sich auch am Morgen nicht gezeigt, sodass die drei sich wieder zum Schlafen hinlegten.

 

 

Um halb zwölf erschien der Storchenvater auf dem Nest und protestierte lautstark gegen die Anwesenheit herumfliegender Störche. Sein Aufenthalt dauert nur eine Minute, dann hob er ohne Fütterung vom Nest ab. Es mag grausam erscheinen, doch Emil folgte nur seinem Instinkt. Dieser besagte, dass er die Jungtiere irgendwie vom Nest locken musste, damit sie lernen, sich alleine zu versorgen. Doch wer nur die Hälfte des normalen Gewichtes von gut 3 Kilogramm aufweist, kann nicht vom Nest fliegen. Dies wurde vom Instinkt nicht berücksichtigt, daher ging die Rechnung nicht auf.

 

 

Es gibt Erfahrungsberichte, wo ein Elternteil für die Versorgung junger Störche ausreichte. Allerdings sollte man nie verallgemeinern. Was in dem einen Nest funktioniert, lässt sich unter Umständen nicht auf eine andere Storchenfamilie anwenden. Emil hat sein Bestes gegeben und wollte zum Schluss durch Nahrungsverweigerung schnellstmöglich erzwingen, dass die Jungen das Nest verlassen. Er hat alles richtig gemacht und darf sich nun um sich selbst kümmern. In Fohrde hat die Versorgung durch nur ein Elterntier leider nicht geklappt.

 

 

Dies ist das letzte Bild, auf dem die Küken im Nest zu sehen sind. Das jüngste Küken war bis dahin nur liegend zu sehen. Dann wurde der Livestream für die Rettungsaktion aus datenschutzrechtlichen Gründen abgeschaltet.

https://www.storchennest-fohrde.de/tagebuch/23-07-2023-fohrder-kueken-aus-dem-nest-gerettet/

 

 

Eine halbe Stunde nach der Entnahme der Küken landete Emil im leeren Nest. Wären die Küken normal entwickelt gewesen, hätten sie diesem Zeitpunkt auch vom Nest fliegen und auf den Wiesen unterwegs sein können. Daher schien Emil auf die Rückkehr seiner Familie zu warten.

 

 

Wie wir es bereits bei der ungarischen Störchin Sofia sahen, als deren Nachwuchs auf einen Schlag das Nest verlassen hatte, legte sich Emil im Nest nieder.

 

 

Erst eine halbe Stunde später erhob sich der Storchenpapa von seinem Platz und flog davon.

 

 

Am Abend stand das Nest leer. Die Küken waren bereits in Loburg eingetroffen und während eines der Tiere seine Reise auf der Erde beendet hatte, konnten sich die beiden anderen Küken nach drei Wochen endlich wieder den Bauch vollschlagen. In regelmäßigen Abständen, um die Verdauung nicht zu überfordern, aber garantiert mit einem behaglichen Sättigungsgefühl.

 

 

In den Abendstunden tauchte Emil auf, um erneut nachzusehen, ob sich sein Nachwuchs wieder eingestellt hatte. Wir werden ihn sicher noch ab und an auf den beiden Nestern sehen, während er seine Kraftreserven auftankt. Peter wird dem Storchenpapa sicher auf den Wiesen und Feldern begegnen und ihn auf weiteren Bildern festhalten. Damit wir wissen, dass es ihm auch nach dem Verlust seiner Familie gut geht.

 

 

Abschied und Freude

Die Storchensaison 2023 hat auch in diesem Jahr ein plötzliches Ende gefunden. Immerhin fliegen 2 der Jungtiere aufgrund menschlicher Hilfe in wenigen Wochen in die große Welt. Das ist mehr, als wir in den letzten drei Jahren geschenkt bekamen. Drei Jungtiere wuchsen in diesem Jahr in Hohenferchesar zu gesunden Störchen heran. Im Ortsteil Pritzerbe kümmerte sich Lilly um zwei Küken. Damit entlässt der Ort Havelsee dieses Jahr 7 Küken in die Natur, die ihren Teil zur Stärkung der Population beitragen werden. Das ist ein sehr gutes Zeichen.

In Ungarn können wir weiterhin die neun Jungtiere beobachten, die ebenfalls kurz vor dem ersten Ausflug stehen. Es wird noch eine Zusammenfassung der diesjährigen Fohrder Storchensaison geben und wir werden ganz sicher noch Bilder von Jungstörchen bekommen, die ihre ersten Kreise über Fohrde ziehen, sich für die große Reise sammeln und zu Gruppen zusammenschließen. Das hat noch etwas Zeit. Wir werden regelmäßig Infos über die Entwicklung der beiden Küken in Loburg einstellen und sicher auch deren Flug in die Freiheit mit einem Video dokumentieren können. Mit einem Satz: Dabeibleiben, auch wenn der Blick in ein leeres Storchennest noch sehr ungewohnt ist.

 

 

 

 

 

 

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
12 Kommentare
Inline Feedbacks
Zeige alle Kommentare

Hallo Storchenfreunde❣️ Für mich war das gestern ein aufregender Tag. Ich freue mich das alles so gut geklappt hat 👍 und bin auch sehr traurig das es 1 Küken nicht geschafft hat. 🥺 Drücken wir die Daumen das die 2 es schaffen. Emil hat sein bestes getan. So ist Natur. Manchmal für uns Menschen schwer zu verstehen. Ich möchte an dieser Stelle Lars und seiner Familie für die Herzlichkeit und positiven Gespräche danken. Auch an Ev und Peter lieben Dank. Wir hatten sehr angenehme und informative Gespräche. Schön euch alle mal persönlich kennengelernt zu haben!!!! 😃 Macht weiter so. Ich… Weiterlesen »

Vielen Dank für diese Nachricht. peine liebsten Gedanken an alle Küken une Die Jungsten, die zu früh gegangen sind, werden mir un Erinnerung bleiben.

Das ist traurig. Gute Reise kleiner Storch. Wie schön die Saison begonnen hat, mit 4 Eiern, dann 4 starke Jungstörche. Das Wetter hat mitgespielt, sie wurden toll gefüttert. Emil war mit allem etwas früh dran, Küken alleine zu lassen, Küken zum Fliegen zu animieren. Sein Zeitplan schien leicht voraus. Emma hatte emsig weitergefüttert, während Emil schon langsam begann, weniger zu füttern. Verstärkte die Fütterungen aber wieder, als Emma weg war. Mich trifft es noch immer am meisten, dass sie verschollen ist.  Dieses Jahr gab es so viele Dramen. Auch bei allen Nestern, die ich schaue… Küken entsorgt. In Fohrde nicht,… Weiterlesen »

Zuletzt bearbeitet 9 Monate her von Stephi

Liebe Stephi
so traurig, ich drück dich aus der Ferne🫂 und kann deine Zeilen so mitfühlen 🌈😢💞 den beiden Geschwistern wünsche ich in Loburg alles Gute 🙏🏻🍀

Liebe Anni,
ein ganz liebes Dankschön, ich drück dich auch 🫂 und weiß, dass du auch so empfindest 🌈❤️

Danke 🫶🏼 Stephi

Liebe Stephi, ich kann dir sehr gut nachfühlen wenn man nicht weiß was mit Emma passiert ist. Sie hätte nie ihre Küken im Stich gelassen. Viele Grüße aus dem schönen Bayern wünscht Edith

Liebe Edith,
ich glaube auch nicht, dass Emma die Küken verlassen hätte. Sie hat sich so gut gekümmert und dicke Ladungen Würmchen vorbeigebracht. Meistens flog sie als erstes los Frühstück holen.
Liebe Grüße ins schöne Bayern, Stephi

hat sie auch nicht. Sie hat auch das Schlafmützchen nicht aussortiert. Irgendwas wird geschehen sein. Ein “Raubtier” vielleicht bei der Futtersuche. Wir werden es nie erfahren.

An dem Tag ihres Verschwindens war es auch sehr stürmisch. Das war der Tag, an dem Emil 2x rückwärts das Nest ansteuerte.

Ganz lieben Dank für den Bericht über den Abschied der kleinen Störche aus Fohrde. Ja, schmerzlich, daß der Kleinste es nicht geschafft hat. Das passiert nun täglich in der Natur, aber da wir alle life dabei waren, tut es besonders weh. Aber die beiden anderen werden es in Loburg schaffen, das hoffen wir doch alle. Emil ist nun allein, ob er den Verlust schon vergessen hat, wir wissen es nicht. Wir neigen natürlich alle dazu, glaube ich, Tiere zu vermenschlichen. Das merkt man schon, wenn man einen Hund hat, wie wir. Große Freude ist, daß wir weiter informiert werden, was… Weiterlesen »

Ich habe es mir fast gedacht, dass es mein geliebtes Schlafmützchen ist. Ich bin sehr traurig. Es lag auch bereits 2 oder 3 Tage sehr schwach im Nest. Gewärmt von den Geschwistern. Sehr sehr traurig. Es hat so gekämpft, immer wieder. Hatte sich immer so schön am Anfang bei den Fütterungen nach vorne gedrängelt und schnell was aufgeholt, für das es Tage später geschlüpft war. Ich drücke den anderen zwei die Daumen. Vielleicht ist es Loburg möglich uns ein kleines Video von einer Fütterung zu senden. Das würde sicher alle freuen.

Zuletzt bearbeitet 9 Monate her von Melly72