28.06.2022 – Nachruf fürs 2. Küken

Leider kommt heute der Nachruf fürs 2. Küken, denn dieses wurde in einem unbeaufsichtigten Moment von einem Raubvogel aus dem Nest geholt. 

 

Am Dienstag Morgen war es angenehm frisch und unsere Störche konnten sich in der Nacht etwas erholen. Ein wenig Regen hatte dafür gesorgt, dass sich die Regenwürmer auf dem Erdboden tummelten und von Emil und Emma kiloweise eingesackt werden konnten. Dieses Futter bringt die nötige Flüssigkeit für den Ministorch und es rutscht auch viel besser als die Heupferdchen mit ihren Krabbelbeinchen.

 

 

Der Storch hat hier nichts zu suchen

Als Emil mit einem Schnabel voller Stroh um sechs Uhr einflog, hatte er einen anderen Storch im Schlepptau, der von beiden Alttieren verklappert wurde. Als Emma zum Frühstück aufbrechen wollte, kam sie nur bis zum Kirchturm, wendete und flog zum Nest zurück. Der Feind war erneut im Anmarsch und es brauchte beide Eltern zur Abschreckung.

Als die Luft wieder rein war und Emma doch noch auf Frühstücksreise gehen konnte, gab es eine Riesenportion Würmer, die dem gierigen Küken teilweise noch aus dem Schnabel hingen, während es schon nach den nächsten Happen schnappte. Danach rollte sich das Küken auf dem Boden zusammen und war vor lauter Sättigungsgefühl nicht mehr ansprechbar.

 

 

Nachruf fürs 2. Küken

Da es heute nicht so heiß war, ließ sich der Nachmittag ganz gut überstehen. Leider war nicht abzusehen, dass dieser Tag der letzte im Leben des zweiten Kükens sein sollte. Die Raubvögel fühlten sich schon seit einiger Zeit vom Storchennest angezogen und hatten den Nachwuchs im Visier. Bisher hatten Emma und Emil ihren Nachwuchs immer gut verteidigt. Was natürlich nicht möglich ist, wenn beide Alttiere nicht im Nest sind.

 

 

Nach einem entspannten Nachmittag ging es bei einem wunderschönen Sonnenuntergang in die Federn. Kurz nach fünf Uhr passierte allerdings die Katastrophe, dass der Rotmilan einen unbeaufsichtigten Moment nutzte und sich das Küken aus dem Nest holte.

Es ist völlig untypisch, ein Küken nach bereits einer Woche alleine im Nest zu lassen, da es sich nicht verteidigen kann. Tagsüber bestand die Notwendigkeit, Wasser holen zu müssen. Da ging es um jeweils zwei Minuten, die der Nachwuchs alleine auf dem Nest warten musste, bis das Alttier wieder einflog.

Warum die beiden das Küken erneut alleine ließen, ist nicht nachzuvollziehen. Es war viel zu früh, als dass das instinktiv passieren konnte. Wir hatten solch eine Phase auch bei der Brut von Leni, die die Küken bereits über einen längeren Zeitraum alleine ließ, als diese gerade fünf Wochen alt waren. Zu diesem Zeitpunkt verlassen die Eltern das Nest für wenige Minuten und kehren anschließend zurück. Glücklicherweise saßen damals zwei Küken im Nest, die miteinander kuscheln konnten.

 


 

Nachdem nun beide Küken das Nest verlassen haben, gibt es noch das dritte Ei, aus dem allerdings nichts schlüpfen wird. Entweder war es unbefruchtet oder das Küken hat es nicht aus dem Ei geschafft – der Zeitpunkt des Schlüpfens ist schon lange überschritten. Heißt, Emil und Emma werden bei der Hitze erfolglos auf dem Ei ausharren und nichts unversucht lassen. Wie im letzten Jahr.

Es sollte wieder nicht sein

Trotz aller Enttäuschung und Trauer – wir durften für eine kurze Zeit das Leben der kleinen Störche hautnah begleiten. Wir haben auf die großen Störche gewartet, obwohl es kaum danach aussah, dass sich ein Pärchen für Fohrde findet. Wir haben die Daumen gedrückt, dass Emma Eier legt und das Nest wurde gefüllt. Wir haben mitgefiebert, dass Küken schlüpfen und diese pellten sich aus dem Ei.

 

 

Knapp zehn Tage haben wir das erstgeborene Küken in seinem Leben begleitet und uns über jeden Wurm, den es verspeist hat und jeden Fortschritt, den wir beobachten konnten, gefreut.

Jetzt ist es Zeit, Abschied zu nehmen.

Normalerweise geht die Saison zu Ende, wenn die Jungtiere flügge sind und nach Afrika fliegen. In diesem Jahr ist bereits heute Schluss. Auf unerwartete Weise.

 

Verabschieden wir uns vom Nachwuchs unserer Storchenfamilie und behalten wir all die Momente in lebhafter Erinnerung, in denen uns die vier ein Lächeln ins Gesicht zauberten. Die Küken sind nicht mehr da, aber die Erinnerungen bleiben. Nicht nur der Nachruf fürs 2. Küken ist schmerzlich, dass Fohrde beide Küken verloren hat, tut weh.

Denken wir aber auch daran, wie viele Menschen glücklich waren, als sie nach der Winterpause das erste Schnabelklappern am frühen Morgen über den Bildschirm hören konnten.

 

 

Ein Kommen und Gehen

Wenn der Storch aus Afrika zurückkehrt, ist das ein Zeichen für neues Leben. Für Aufbruch, Wachstum und das Ende der Dunkelheit. Dinge verändern sich, Neues kommt und Altes geht. Willkommen und Abschied liegen dicht beieinander.

Die Erlebnisse mit unseren Küken bleiben uns. Wie sie das erste Mal über den Rand der Nestmulde schauten. Wie ihre Köpfchen wackelten und alle Zuschauer in Begeisterung versetzten. Wie sie tonnenweise Würmer vertilgten, die ihnen die Eltern im Stundentakt vorsetzten. Bis zu dem Moment, als sie uns verließen.

Das Leben geht weiter. Es hält nicht an, um die Geschehnisse zu verändern. Wir sind gezwungen, uns mit den Situationen auseinanderzusetzen und unsere Gefühle zuzulassen, damit die Wunde heilt. Zum Leben gehört beides – Glück und Trauer. Deshalb ist es wichtig, sich Zeit für die Dinge zu nehmen, die uns begegnen und berühren.

Einen lieben Kuss für Emil und Emma, die das dritte Ei schnell aufgeben sollten, um noch zwei entspannte Monate zu haben. Hier wäre es hilfreich, das Ei aus dem Nest zu entfernen, damit sich die beiden jetzt um sich selbst kümmern können.

Die beiden Küken tragen wir in unseren Herzen. Auch wenn sie zu früh gegangen sind, sie waren Teil unserer Storchenfamilie und werden das für immer sein. Danke, dass wir euch kennenlernen durften und habt eine gute Reise. Was bleibt, sind Emma und Emil.

 

 

 

 

 

 

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8 Kommentare
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Sorry wegen der Nachfrage , gestern erstmal alles genau nachgelesen . Heike

Für mich war es heute sehr traurig zu lesen, was mit dem 1.Küken passiert ist. Habe das Wachsen des oder der Kleinen jeden Tag verfolgt und mich dran erfreut. Aber so ist es im Tierreich. Trotzdem vielen lieben Dank an euch für die schönen Bilder und ausführlichen Berichte. Hoffen wir auf ein besseres Jahr 2023. LG von Marlies aus Plaue

Hallo ! Tut mir sehr leid , was ist mit dem 1 .Küken passiert , nach dem essen gestorben ? Heike

Was für ein trauriger Tag für Fohrde und die Fangemeinde.😢
Danke Ev, für deine einfühlsamen Worte.
Hoffen wir auf ein gutes Storchenjahr 2023, bis dann.

Ich schließe mich Usch’s Meinung an.sehr traurig. Sehr einfühlsam.

Hallo leider war ich heute Nachmittag Erst da . Tja ich bin geschockt . Es ist sehr traurig . Das mir die Worte fehlen . Okay erst die Natur aber ich hoffe der Millan hat Bauchweh ohne Ende . Nächste ja wird alles besser ganz bestimmt. Ich glaube fest daran . Ganz liebe traurige Grüße gitte aus hessen