23.05.2020 – Auch kleine Storchenkinder werden erzogen

Noch war von der Sonne nichts zu sehen, aber unser Küken schien um halb fünf Uhr schon hellwach. Die Alttiere waren etwas nass und freuten sich auf die Sonne, während Junior quitschfidel in seiner trockenen Mulde saß.

 

 

 

Eine halbe Stunde später war Familie Storch komplett auf dem Nest zu sehen. Lillys Bauch sah auch etwas durchweicht aus und das nasse Stroh, das Ben mitgebracht hatte, schien es nicht besser zu machen.

 

 

 

Junior interessierte sich nicht so sehr für die nassen Bäuche seiner Eltern. Er streckte seinen langen Hals in die Luft und forderte Frühstück. Mama Lilly war jedoch der Ansicht, dass dafür noch keine Zeit sei.

 

 

 

Um halb sieben konnte man erkennen, wie durchweicht das Nest war. Dafür sagte der Wetterbericht voraus, dass für den heutigen Tag kein Regen zu erwarten war. Es brauchte also nur noch ein wenig Sonne und alles wäre wieder in Ordnung.

 

 

 

Die tägliche Inspektion

Mama Lilly ist seeehr gründlich, was die tägliche Leibesvisitation betrifft. Es wird genauestens kontrolliert, ob noch alles am Küken dran ist. Ob die Flügelchen funktionieren und ob sich das Küken ausstrecken kann. Fällt die Kontrolle zu Lillys Zufriedenheit aus, darf das Küken weiterschlafen.

 

 

 

Man könnte die Mama aber auch wieder hochscheuchen und nach Futter verlangen…

 

 

Und Lilly ist so lieb und kommt dieser Forderung nach.

 

 

Um zehn Uhr stand Lilly wieder wartend im Nest, um ihre Betreuungszeit anzutreten. Ben schien noch ein wenig müde und zeigte keine Lust aufzustehen.

 

 

 

Daher flog Lilly erneut aus und brachte nach wenigen Minuten eine Ladung Gras mit.

 

 

 

Heute war es teilweise sehr schwierig zu erkennen, welches Alttier auf den Bildern zu sehen war. Bens weiße Rückenfedern klebten durch das nasse Gefieder oft unter den schwarzen Flügelspitzen. Manchmal konnte man sich nur an den Beinen orientieren oder am federlosen Bauch.

 

 

10:04 und Papas Arbeitszeit beginnt.

 

 

Nachdem Lilly das Nest verlassen hatte, waren Ben und das Küken unter sich und nutzten ihre Dreiviertelstunde zum Füttern und Kuscheln.

 

 

Eine kleine Rechnung

Abfliegen, wiederkommen, Schichtwechsel. Alles läuft entspannt im Storchennest und sieht in keiner Weise nach Anstrengung aus. Das zweite Küken war auch heute nicht zu sehen, sodass wir davon ausgehen müssen, dass es die Anstrengungen des Schlüpfens leider nicht überstanden hat. Zwei Eier liegen noch im Nest und werden weiterhin bebrütet.

Von einigen Zuschauern wurde die Ansicht vertreten, dass die Eier nicht mehr gewendet würden. Das ist zu diesem Zeitpunkt auch kaum noch nötig, weil die Küken im Ei fertig ausgebildet sind. Jetzt geht es lediglich darum, sie bis zum Schlupf warmzuhalten. Außerdem würde das Küken beim Öffnen des Eis behindert werden, würde das Ei mit der ersten Bruchstelle immer wieder nach unten gedreht werden.

 

Rechnen wir noch einmal nach:

Junior 1 erblickte nach 33 Brutzeit das Licht der Welt. Nach 34 Tagen hatte sich das zweite Küken aus der Schale gekämpft. Das würde für Junior 3 bedeuten, dass 33 Bruttage am 22.05. vorüber waren und 34 Tage am 23.05.2020. Junior 4 hätte somit am 24.05. die 33 Bruttage überstanden und am 25.05. dann 34 Tage.

 

Fazit: Selbst wenn ein Ei unbefruchtet sein sollte, besteht immer noch die Möglichkeit, dass zumindest ein weiteres Küken im normalen Zeitrahmen schlüpfen wird. Und wir sollten in Betracht ziehen, dass sich die Natur nicht nach menschlicher Mathematik richtet und ihr eigenes Ding macht :).

 

 

 

Ben zeigt die Windrichtung an

Auf dem Storchennest herrschte eine frische Briese. Diese trocknete zwar das Stroh, wer allerdings in der falschen Richtung saß, dem pustete der Wind die Federn in die Höhe. Ben machte es richtig. Nachdem ihm der Wind ordentlich unter die Federn gegriffen hatte, entschied er sich zum Umdrehen. Jetzt hatte er den Wind zwar im Gesicht, aber das schien angenehmer als die hochgepusteten Federn.

 

 

 

 

Familienidylle im Storchennest. Lilly war eingeflogen und verabschiedete sich gleich wieder, um Futter herbeizuschaffen.

 

 

 

Nur zehn Minuten später kehrte sie zurück und hatte unterwegs einen Ast aufgegabelt. Dieser wurde wie ein Blumenstrauß in den Nestrand gespießt und verschönert jetzt das Nest.

 

 

 

 

 

Lilly löste Ben ab und kümmerte sich um das Küken. Sie ist eine sehr routinierte Storchenmama und am wenigsten passt dem Küken ihre ständige Bauchmassage. Ist das Küken mehrere Wochen alt, unternimmt es seine Toilettengänge selbstständig. Bis dahin animieren die Storcheneltern den Nachwuchs regelmäßig mit dem Schnabel, die verdaute Nahrung von sich zu geben. Sehr zum Leidwesen des Kükens. Mama Lilly ist dabei unnachgiebig – erst wird der Bauch leergemacht, dann gibt es Futter. Da hilft auch kein Wegkrabbeln – Mamas großer Schnabel findet immer das Bäuchlein.

 

 

 

 

Am frühen Nachmittag zeigten sich einige Sonnenstrahlen und trockneten das letzte Stroh im Nest, sodass die Tiere auf eine angenehme Nacht hoffen konnten.

 

 

Hier sind nochmals beide Eier ganz deutlich zu sehen, denn es wurde mittlerweile die Frage aufgeworfen, ob überhaupt noch zwei Eier im Nest seien. Sind sie :).

 

 

 

 

An der Flügel-Fuß-Koordination arbeiten wir noch

Ben spendierte um halb fünf ein weiteres Mahl. Was er ausspuckte sah wie ein einheitlicher Klumpen aus und ließ sich inhaltlich nicht definieren. Während das Futter auf dem Nestboden landete, schaute sich Junior noch die Beine seines Storchenpapas genauer an. Doch dann hatte er mitbekommen, dass hinter ihm etwas passiert sein musste. Bei dem Versuch, sich umzudrehen und zum Futter zu gelangen, purzelte er zuerst der Länge nach ins Nest. Anschließend sah man nur zappelnde Flügelchen und ab und an ein Füßchen bei dem Versuch, wieder in die Senkrechte zu kommen. Dann musste das Küken “nur noch” einige Zentimeter durch das Nest rutschen und saß freudestrahlend vor dem riesigen Futterhaufen.

 

 

 

 

 

 

 

Das “Projekt Fütterung” hatte ganze drei Minuten gedauert, dann war ein Verdauungspäuschen angesagt.

 

 

Eine Stunde später hatte das Küken ausgeschlafen und war für den nächsten Fisch bereit.

 

 

 

 

Lilly gibt Futterzeiten vor

Schichtwechsel um halb sechs. Das Küken schlief zuerst, aber nachdem Ben abgeflogen war, streckte es voller Hoffnung auf neues Futter schon wieder den Schnabel in die Höhe. Mama Lilly war jedoch der Ansicht, dass es sich überfressen würde, wenn es jede Stunde etwas in den Schnabel steckt. Daher hieß es zunächst weiterschlafen.

 

 

 

 

Um sieben Uhr lag Lilly im Nest und beobachtete, wie die Sonne unterging.

 

 

 

 

 

 

Auch Junior durfte noch einmal an die frische Luft, musste aber zuerst die Streicheleinheiten am Bauch über sich ergehen lassen. Anschließend hatten Mutter und Kind einen wunderschönen Ausblick in den rosagefärbten Abendhimmel.

 

 

 

Erziehung a la Lilly

Kurz nach 21 Uhr bewies Lilly erneut ihre mütterlichen Qualitäten. Während sie den Nestboden auflockerte und an den Eiern lauschen wollte, stupste Junior immer wieder kräftig nach ihrem Schnabel, weil er weiteren Appetit hatte. Das stand aber nicht auf Lillys Arbeitsplan. Als der Nachwuchs keine Ruhe gab, wurde er kurzerhand liebevoll, aber sehr bestimmt von seiner Mutter in die Schranken gewiesen. Lilly schob seinen Schnabel sehr energisch zur Seite, als der kleine Wicht sie traktierte. Selbst 5 Tage alte Küken müssen sich an die Vorgaben der Mama halten :).

 

 

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Ben gesellte sich um 21:15 Uhr zu seiner Familie und entließ Lilly zu ihrer Abendrunde. Eine halbe Stunde später ließ er sich von seinem Nachwuchs überreden, noch ein letztes Abendbrot hervorzuzaubern. Mit vollem Bauch schläft es sich nämlich besser. Für Papa und das Küken :).

 

 

 

 

 

 

 

Gute Nacht, liebe Storchenfamilie und schlaft gut!

 

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4 Kommentare
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Heut um 11.16 Uhr,wurde der verstorbene Ministorch aus dem Nest geholt und um 11.17 Uhr hat er oder sie ihn gefressen.Besser so,wie lebend aus dem Nest geworfen zuwerden.Er durfte in einer liebevollen Umgebung Sterben.Woran auch immer es lag,aber seine Eltern waren nicht das Problem.Das ist die natürliche Auslese, dass gehört dazu,auch wenn es etwas traurig ist.Ich hoffe,dass wenigstens noch ein Küken dazu kommt,damit im Nest etwas Stimmung ist.Gruẞ

Ja, es ist traurig. Aber wie Ev schon geschrieben hat, es lag nicht an den Eltern. Sie haben das Kleine nicht ruck-zuck aus dem Nest geworfen, es ist im Nest gestorben. Da ist es viel, viel schlimmer, wenn schon größer gewordene Störchlein rausgeworfen werden. Das haben wir ja im vorigen Jahr erleben müssen. Ich glaube auch schon fast, daß unser Küken ein “Einzelkind” bleibt. Schöner wäre natürlich, es kämen noch welche hinzu. Ist doch sonst auch langweilig für den Erstgeborenen! Liebe Grüße nach Fohrde, hoffentlich bald wieder wärmer und Sonnenschein!

Wenn Küken 2 wirklich nicht überlebt hat, bleibt es im Nest oder “entfernen” es die Eltern?

Das Küken wird dann entfernt. Entweder wird es rausgeworfen oder gefressen.
Beide Alttiere haben sich allerdings rührend und sehr lange um das Kleine gekümmert. Leni aus dem letzten Jahr hätte da viel eher kurzen Prozess gemacht und gar nicht erst auf das Ableben gewartet. In unserem Fall konnte das Junge in Ruhe im Nest sterben, auch wenn sich das im ersten Moment makaber anhört.

Liebe Grüße.