Das kleine Küken lebt nicht mehr. Es wurde heute Vormittag von Emma gefressen. Dieses Vorgehen war nicht vorhersehbar, nichts deutete darauf hin. Noch gestern lagen beide Küken zufrieden in der Sonne und sahen über den Rand des Nestes in die Ferne. Von einer Erkrankung war nichts zu bemerken. Heute Vormittag sah es hingegen anders aus und Emma entschied sich für die radikale Tour.
Möglicherweise wollte sie das andere Küken schützen und das anscheinend kranke Tier sofort vom gesunden Küken trennen, damit es sich nicht ansteckt. Natürlich wirkt dieses Vorgehen auf uns wie ein Schock. Trotzdem rechtfertigt es meines Erachtens keine Kommentare von “Fohrder Killerstörchen”, wie in den Kommentaren angeführt wurde.
Leni hatte zwei der vier Küken aus dem Nest geworfen, weil es aller Wahrscheinlichkeit nach ihre erste Brut war. Im Jahr darauf schlüpften unter Lillys Aufsicht nur zwei Jungtiere aus den Eiern. Eines kam verletzt auf die Welt und wurde von den Eltern bis zum Tod aufopferungsvoll gepflegt. Dass Lilly das Küken dann ebenfalls fraß (es war zu diesem Zeitpunkt bereits tot), lässt sich als natürliches Vorgehen definieren. Im Jahr darauf gab es keine Küken.
Auch in anderen Nestern wurden Küken rausgeworfen, wenn die Störche die Anzahl der Jungtiere instinktiv begrenzen wollten. Hierbei von Killerstörchen zu sprechen ist einfach fehl am Platz.
Menschliche Logik und das Wirken der Natur
Für uns als Mensch gab es keinen ersichtlichen Grund für den heutigen Vorfall. Das Futterangebot ist riesig und für zwei Storchenkinder absolut ausreichend. Also gab es einen anderen Grund, den ausschließlich Emma kennt. Es ist schmerzhaft zu erkennen, dass der Mensch in manchen Situationen keine Kontrolle hat. Ohne Livekamera hätte niemand etwas davon mitbekommen. Daher geht es nicht darum, die Störche zu verurteilen und sie als Killerstörche zu bezeichnen. Es geht vielmehr darum, die Verletzlichkeit des Lebens und den Verlust der Formen zu akzeptieren. Verlust tut immer weh und je jünger das Lebewesen, desto schmerzhafter ist die Situation.
Wünschen wir dem Küken einen friedvollen Übergang in eine andere Welt. Schließen wir es in liebevolle Gedanken ein und trösten wir uns mit dem Gedanken, dass wir nicht alles verstehen müssen und dass es trotzdem aus irgendeinem Grund richtig und notwendig war.
PS:
Der nächste Tagebucheintrag erscheint dann am Sonntag Abend. Für den heutigen Samstag würde ich gerne auf den Artikel verzichten.