Die Kükenzeit in Fohrde ist vorbei
Leider war nicht abzusehen, dass der gestrige Tag der letzte im Leben des zweiten Kükens sein sollte. Die Raubvögel fühlten sich schon seit einiger Zeit vom Storchennest angezogen und hatten den Nachwuchs im Visier. Bisher hatten Emma und Emil ihren Nachwuchs immer gut verteidigt. Was natürlich unmöglich ist, wenn beide Alttiere nicht im Nest sind.
Nach einem entspannten gestrigen Nachmittag ging es bei einem wunderschönen Sonnenuntergang in die Federn. Kurz nach fünf Uhr heute Morgen passierte allerdings die Katastrophe, dass der Rotmilan einen unbeaufsichtigten Moment nutzte und sich das Küken aus dem Nest holte.
Es ist völlig untypisch, ein Küken nach bereits einer Woche alleine im Nest zu lassen, da es sich nicht verteidigen kann. Tagsüber bestand die Notwendigkeit, Wasser holen zu müssen. Da ging es um jeweils zwei Minuten, die der Nachwuchs alleine auf dem Nest warten musste, bis das Alttier wieder einflog.
Warum die beiden das Küken heute morgen erneut alleine ließen, ist nicht nachzuvollziehen. Es war viel zu früh, als dass das instinktiv passieren konnte. Wir hatten solch eine Phase auch bei der Brut von Leni, die die Küken bereits über einen längeren Zeitraum alleine ließ, als diese gerade fünf Wochen alt waren. Zu diesem Zeitpunkt verlassen die Eltern das Nest für wenige Minuten und kehren anschließend zurück. Glücklicherweise saßen damals zwei Küken im Nest, die miteinander kuscheln konnten.
Nachdem nun beide Küken das Nest verlassen haben, gibt es noch das dritte Ei, aus dem allerdings nichts schlüpfen wird. Entweder war es unbefruchtet oder das Küken hat es nicht aus dem Ei geschafft – der Zeitpunkt des Schlüpfens ist schon lange überschritten. Heißt, Emil und Emma werden bei der Hitze erfolglos auf dem Ei ausharren und nichts unversucht lassen. Wie im letzten Jahr.
Es sollte wieder nicht sein
Trotz aller Enttäuschung und Trauer – wir durften für eine kurze Zeit das Leben der kleinen Störche hautnah begleiten. Wir haben auf die großen Störche gewartet, obwohl es kaum danach aussah, dass sich ein Pärchen für Fohrde findet. Wir haben die Daumen gedrückt, dass Emma Eier legt und das Nest wurde gefüllt. Wir haben mitgefiebert, dass Küken schlüpfen und diese pellten sich aus dem Ei.
Knapp zehn Tage haben wir das erstgeborene Küken in seinem Leben begleitet und uns über jeden Wurm, den es verspeist hat und jeden Fortschritt, den wir beobachten konnten, gefreut.
Jetzt ist es Zeit, Abschied zu nehmen.
Normalerweise geht die Saison zu Ende, wenn die Jungtiere flügge sind und nach Afrika fliegen. In diesem Jahr ist bereits heute Schluss. Auf unerwartete Weise.
Verabschieden wir uns vom Nachwuchs unserer Storchenfamilie und behalten wir all die Momente in lebhafter Erinnerung, in denen uns die vier ein Lächeln ins Gesicht zauberten. Die Küken sind nicht mehr da, aber die Erinnerungen bleiben. Denken wir nur daran, wie viele Menschen glücklich waren, als sie nach der Winterpause das erste Schnabelklappern am frühen Morgen über den Bildschirm hören konnten.
Ein Kommen und Gehen
Wenn der Storch aus Afrika zurückkehrt, ist das ein Zeichen für neues Leben. Für Aufbruch, Wachstum und das Ende der Dunkelheit. Dinge verändern sich, Neues kommt und Altes geht. Willkommen und Abschied liegen dicht beieinander.
Die Erlebnisse mit unseren Küken bleiben uns. Wie sie das erste Mal über den Rand der Nestmulde schauten. Wie ihre Köpfchen wackelten und alle Zuschauer in Begeisterung versetzten. Wie sie tonnenweise Würmer vertilgten, die ihnen die Eltern im Stundentakt vorsetzten. Bis zu dem Moment, als sie uns verließen.
Das Leben geht weiter. Es hält nicht an, um die Geschehnisse zu verändern. Wir sind gezwungen, uns mit den Situationen auseinanderzusetzen und unsere Gefühle zuzulassen, damit die Wunde heilt. Zum Leben gehört beides – Glück und Trauer. Deshalb ist es wichtig, sich Zeit für die Dinge zu nehmen, die uns begegnen und berühren.
Einen lieben Kuss für Emil und Emma, die das dritte Ei schnell aufgeben sollten, um noch zwei entspannte Monate zu haben. Hier wäre es hilfreich, das Ei aus dem Nest zu entfernen, damit sich die beiden jetzt um sich selbst kümmern können.
Die beiden Küken tragen wir in unseren Herzen. Auch wenn sie zu früh gegangen sind, sie waren Teil unserer Storchenfamilie und werden das für immer sein. Danke, dass wir euch kennenlernen durften und habt eine gute Reise. Was bleibt, sind Emma und Emil.
…. und Ben
Liebe Ev, ganz herzlichen Dank für deinen Tagebucheintrag! Ich bin noch immer so traurig, war heute früh so erschrocken.
Noch kann ich mich nicht so richtig an den Anblick des Nestes gewöhnen, weil ich nach wie vor glaube, dass die Trockenheit ihren Beitrag leistet, auch wenn es genügend Futter rund um den Horst gibt.
Am Samstag hat der Kleine in der Hitze unseren Emil immer wieder angebettelt und Emil flog irgendwann los, brachte ihm nach kurzer Zeit Wasser, ließ ihn also dafür kurz allein.
Ganz liebe traurige Grüße!
Hallo Liebe Ev
Ich Bedanke mich bei Dir für deine Worte in diesem Beitrag auch für die Schönen Bilder
Besten Dank auch für alle anderen Beiträge die Du immer so schön Gestalltest 👍, es ist wohl ein Tag heute der viele von uns Traurig macht auch mich Persöndlicht trifft das hart , meine Trännen höhren nicht auf zu Kullern 😢 , Fohrde wird immer in meinem Herzen verankert sein .
Vielen Danke für alles und an alle 🍀🐞💗
Liebe Grüüse aus der Schweiz und ich bleibe von Herzen gerne hier dabei
Stefan
Lieber Stefan,
auch an dich vielen Dank für deine Worte. Es ist schwer, Hoffnungen und Erwartungen fallenzulassen, wenn die Natur andere Wege geht. Aber auch das bekommen wir hin. Weil es auch ein 2023 geben wird :).
Ganz liebe Grüße an dich,
Ev
Liebe Ev, vielen Dank für deine einfühlsamen Worte.
Das Fohrder Nest ist mir doch sehr ans Herz gewachsen, auch weil ich dieses Jahr in der schönen Gegend in und um Fohrde herum zu Besuch war.
Die Ereignisse haben mich auch sehr berührt und ich möchte hier nochmal dem ganzen Team für die unermüdliche Arbeit danken ❤️
In der Hoffnung auf eine erfolgreiche Saison 2023.
Liebe Ev, danke für den einfühlsamen Bericht und ich schaue nach vorne auf ein erfolgreiches 2023. Liebe Grüße aus Dachau
Sehr schön geschrieben. Es ist ein kommen und gehen. Leider auf tragische Weise . Danke für die schöne Zeit
Mir traurigem Gruß Brigitte